DE NATURA – gespräch zur ausstellung
ausstellung im künstlerhaus wien, 29. 7. bis 17. 9. 2006
G: Was bedeutet das Ausstellungsthema DE NATURA für dich als Künstlerin?
B: Ich sehe in dem Ausstellungsthema das Spannungsfeld zwischen Natur und Eingriff in diese, verschiedene Sichtweisen und Überschneidungen. Die Frage nach den Grenzen: wann beginnt Leben, wie wird in den natürlichen Prozess eingegriffen? Wie wird wahrgenommen, wo sind Brüche. In meiner Arbeit ist Licht und Luft, Material und Symbol für Leben und Natur.
Ebenso arbeite ich zu diesem Thema mit Codierungen. Codierungen, Ordnungssysteme, Regeln finden in allen Bereichen des täglichen Lebens Anwendung. Im Wirtschaftsbereich, Handel, mittels Barcode, Leben und Lebendiges als Gegenpol finde ich in der Darstellung der genetischen Codierung, in Autoradiogrammen von Sequenzgelen. In der optischen Darstellung, besteht Ähnlichkeit, ich vermische und überlagere Bar- und Gencodes, sodass nicht mehr getrennt wahrgenommen werden kann. Auch im täglichen Leben, finden diese Vermischungen statt, man sieht die Grenzen nicht mehr. In der Arbeit für die Ausstellung DE NATURA ist das Hauptthema Luft, ich möchte Lebendiges über künstlich Geschaffenes fühlbar, bewusst machen. Ich enge »atmende« Luftpölster mit Gummibändern und darüber liegenden Platten ein, die Luft presst gegen die Begrenzungen, der künstlich erzeugte Atem wird durch diese Einengungen spürbar. Mit Licht mache ich diesen Vorgang verstärkt sichtbar.
G: Du verschleierst, überlagerst, verwischt Grenzen – zu welchem Zweck?
B: Für mich ist es Spiegeln der Realität. Die Codierung ist nur scheinbar Verschlüsselung, jeder kennt Barcodes und weiss dass damit käuflich erwerbbare Produkte klassifiziert und ausgepreist werden. Verwischen der Grenzen zwischen Bar- und Gencode,
bedeutet auch das ineinanderübergehen von Ideellem und Materiellem,Wirtschaft und Natur.
Die ersten Gencodedarstellungen habe ich von einem Pflanzenphysiologen erhalten. Er erzählte mir dass er im wissenschaftlichen Bereich keinen Kollegen kennt, von dem er annimmt er würde seine Forschungsarbeit beenden sobald eine »gefährliche«, nicht mehr vertretbare Grenze erreicht wird. Eigene ehrgeizige oder wirtschaftliche Interessen, so meinte er, würden dies be- und verhindern.
G: Der Mensch also als Handlanger von Technologien, die sich verselbständigen.
B: Genau, aber es wird oft nicht bemerkt es hat sich über eigene Bequemlichkeit und Gewöhnung eingeschlichen und ist so selbstverständlich und Teil des Alltagsleben geworden. Das sind diese Überlagerungen und Verdichtungen um die es in meiner Arbeit geht. In der Arbeit für die Ausstellung setze ich elektronisch geregelte Ventilatoren im Rhythmus menschlicher Atmung ein, ich schaffe »künstlich Leben«. ?
G: Diese Maschine simuliert die Atmung als Prozess.
B: Es ist nur scheinbar lebendig, diese Atembewegung wird übertragen, man »fühlt mit« und ist trotzdem distanziert. Die Atmung als Beginn und Ende von Leben.
G: … weil es ja eine Maschine bleibt, auch in der optischen Aufmachung. Du designst dein Objekt ja nicht »pseudoorganisch«, sondern das sind so »Kistln«…
B: …ja es sind anorganische Formen, scharfkantige, quadratische, flache Kisten, die darin liegenden Luftpölster atmen gegen Widerstände und Begrenzungen.
Ohne Luft und Atem ist menschliches Leben nicht möglich. Eingriffe von außen sind von Menschen gesteuert und gewollt, solange bis eine absolute Grenze erreicht ist. Kreativität, Wachsamkeit und Widerstand sind notwendig damit diese Grenzen spürbar und sichtbar bleiben.
G: Schön wäre es ja, wie wir kurz angedacht hatten, das Gerüst vorm Künstlerhaus herzunehmen und in eine atmende Skulptur von dir zu verwandeln, auch im Sinne dieser Symbolik die du gerade ansprichst.
B: Das wäre schön gewesen, ein atmendes Künstlerhaus, aber für mich nicht finanzierbar.
G: Zum Zustandekommen der Ausstellung: können solche partizipativ angesetzten Ausstellungskonzepte, wie wir das hier versuchen, eine Möglichkeit sein, wie KünstlerInnen zusammenarbeiten? Dass es schwierig ist, ist klar und haben wir auch erlebt. Aber als Vision deinerseits: Wie sollten Ausstellungen erarbeitet werden und zustande kommen?
B: Hier findet noch keine Zusammenarbeit der KünstlerInnen statt. Jeder Einzelne liefert einen Beitrag zur Ausstellung ohne Kenntnis der anderen Arbeiten. Das Thema verbindet aber es ist keine Zusammenarbeit. Der Dialog könnte im Anschluss an die Ausstellung stattfinden.
Die Verbindung war über den Kurator gegeben.
G: … wobei ich mich da eher als Koordinator sehe.
B: Einfacher wäre es zum Ausstellungsthema passende Arbeiten zu suchen. So wie diese Ausstellung entsteht bleibt bis zum Schluss Bewegung, das entspricht eher dem Thema DE NATURA.
G: Vielleicht wirft es auch mehr Fragen auf, als wir Lösungen anbieten können. Wir arbeiten das Thema ja nicht didaktisch auf, möglich wäre auch, dass wir nur Fragen formulieren und gar keine Antworten haben.
B: Durch gestellte Fragen bleibt das Thema offen, es ermöglicht eher Diskussionen und entspricht einem naturhaften Prozess, wo es auch keine abschliessenden Lösungen gibt. Gedanken werden angeregt und bewegen weiter, das bedeutet es bleibt lebendig, es ist in Entwicklung, auch Kritik ist notwendig und muss sein.
G: Die Vision dahinter ist, die Autonomie der beteiligten KünstlerInnen innerhalb dieses Projektes so weit wie möglich zu maximieren und gleichzeitig zusammen zu arbeiten. In der Gestaltung der Ausstellung treffen natürlich Welten aufeinander…
B: …Eine Frage ist wie gestaltet man die Übergänge…
G: …oder Brüche. Die Stellen des Aufeinandertreffens sind ja auch ein Thema jeder Gruppenausstellung. Damit wären wir beim zweiten Fragenbereich. Eine Ausstellung im Künstlerhaus von Mitgliedern dieses Hauses impliziert die Frage nach unserem Selbstverständnis – was soll´s, was könnte es sein, was ist es für dich?
B: Kunst, kreatives Denken und Handeln sind sehr wichtig für soziales Zusammenleben, Grundbedingung für gelebte Demokratie. Menschen ohne Bewusstsein für ihr kreatives Potential, die Fähigkeit zu hinterfragen, andere Sichtweisen zuzulassen, sind manipulierbar und durch faschistische Systeme gefährdet. Das Künstlerhaus im Zentrum der Stadt ist Schnittstelle und »Wahrzeichen« für die Freiheit der Kunst und Freiheit ihrer Bürger. Von diesem Platz aus und als Schnittstelle und Kristallisationspunkt aller Bereiche von Kunst, Kunst in alle Gesellschaftsbereiche hineinzutragen, und zu vernetzen ist meine Vorstellung. Ein ernstzunehmender demokratischer Staat kann auf Kunst nicht verzichten, er muss sie fördern, andernfalls beschneidet er seine Wurzeln.
G: Vernetzung konkret womit?
B: Kunst als »Lebensmittel«. Vernetzung mit allen Bereiche des Lebens, sämtlichen Gesellschaftsgruppen, als Selbstverständnis, da Kunst eine Lebenshaltung ist die grundsätzliches Denken fordert und fördert, Dinge nicht so zu nehmen, wie sie sind oder momentan erscheinen, sondern zu hinterfragen. Kunst ermöglicht tolerantes Nebeneinander unterschiedlichster Sichtweisen. Das bringt gedankliche Beweglichkeit, die fixierte Strukturen aufbricht. Es ist Aufgabe von Kunst Erscheinungsbilder zu hinterfragen und eine Vielfalt von Möglichkeiten zu zeigen.
G: Das Künstlerhaus könnte also für dich so ein Ort des Hinterfragens und auch des Artikulierens dessen sein?
B: Das könnte ich mir vorstellen: im Ausstellungsbereich, Themen des Alltags die jeden betreffen und ansprechen. Die Ausstellungen könnten dann Möglichkeiten zeigen wie anders gesehen und gedacht werden kann sodass diese Themen an Tiefe gewinnen und Alltägliches nicht banal ist. Impulse werden so weitergegeben um kreatives Denken anzuregen.
G: Also ein antielitäres Kunstverständnis, Kunst rein in alle Lebensbereiche? Das entspricht weitgehend dem aktuellen Programm des Künstlerhauses unter dem Motto »Kunst an der Schnittstelle zur Alltagskultur«.
B: Das finde ich auch sehr gut. Es müsste nur besser über die Medien wahrgenommen werden können - in Form parteiisch unabhängiger Gruppen wären sie ideale Partner.
Die Ausstellung DE NATURA zeigt das Thema Natur und Kunst. Natur bedeutet Entwicklung, Bewegung nichts Statisches. Ich sehe das Ausstellungsthema auch symbolisch für die Weiterentwicklung des Künstlerhauses.